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Wie entstehen eigentlich Schmerzen?

Vor ungefähr 400 Jahren beschrieb René Descartes, ein französischer Mathematiker, Philosoph und Naturwissenschaftler, die erste Schmerztheorie. Er ging davon aus, dass sobald z.B. ein thermischer Reiz wie eine Flamme mit dem Körper in Berührung kommt, der Schmerz im Gewebe entsteht und von dort an das Gehirn weitergeleitet wird. Das heißt er ging davon aus, dass die Schädigung des Gewebes immer proportional zu einer Gewebeverletzung auftritt.

Diese Denkweise prägte die Medizin bis in die heutige Zeit. Chronische Schmerzpatienten, bei denen keine Gewebeschädigung sichtbar war wurden als geisteskrank abgestempelt und nicht ernst genommen.

 

Gibt es mittlerweile neue Erkenntnisse?

Mitte der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts entwickelten ein kanadischer und ein britischer Schmerzforscher, Ronald Melzack und Patrick Wall die Gate Control Theorie. Sie besagt, dass ein Schmerzreiz, z.B. durch eine offene Wunde am Unterarm, auf Höhe des Rückenmarks durch verschiedene Mechanismen gehemmt oder nicht gehemmt werden kann. Sodass ein Schmerz vom Gehirn, wenn er von Bedeutung ist, wahrgenommen wird, oder wenn er unbedeutend ist eben nicht.

Diese Schmerztheorie veränderte zwar den Blickwinkel auf Schmerzen radikal, allerdings konnten nach wie vor verschiedene Pathologien wie Phantomschmerzen oder chronische Schmerzen nicht wirklich plausibel erklärt werden.

So entwickelten die beiden Forscher im Laufe der Zeit einen neuen Ansatz: die Theorie der Neuromatrix.

 

Wie kann man sich diese Neuromatrix vorstellen?

Vereinfacht gesagt beschreibt diese Theorie eine genetisch bedingte ins Gehirn eingebaute Neuromatrix zur Schmerzwahrnehmung, die durch verschiedene Erfahrungen wie Kultur, sozialem Lernen, Stress und vielem mehr beeinflusst werden kann. Das heißt im Gehirn befinden sich verschiedene Interpretationsebenen des Schmerzes. So beurteilt eine Ebene zum Beispiel die Dauer, Intensität, den Ort des Schmerzes und wie er sich anfühlt und gibt diese Informationen an eine weitere Ebene weiter. Die nächste Ebene beurteilt diese Informationen mit den bekannten Erfahrungen, den Erwartungen und den dazugehörigen Erfahrungen und spuckt wiederum eine Information aus, die nun die Erkenntnisse der zwei oberen Ebenen zusammengefasst und gibt sie an eine dritte Ebene weiter. Diese Ebene wiederum schaut sie die Konsequenz auf diesen Schmerzreiz und dessen Bedeutung für den Körper an. Man sieht also, diese Ebenen interagieren permanent miteinander und dadurch entsteht im Endeffekt eine sogenannte “Neuro-Signatur”, die ausschlaggebend dafür ist, wie eine bestimmte Person einen bestimmten Schmerz wahrnimmt.

Durch diese Theorie der Neuromatrix entstand ein völlig neues Schmerzbild.

Wo bisher davon ausgegangen wurde, dass Schmerz immer ein Reiz ist, der durch bestimmte Zellen – sogenannte Nozizeptoren – zum Gehirn weitergeleitet wird und dort wahrgenommen wird, geht man nun davon aus, dass Schmerzen erst durch komplexe Mechanismen im Gehirn entstehen.

 

Was bedeutet das nun für das moderne Schmerzverständnis?

Kurz gesagt früher dachte man Schmerz ist ein Input – heute weiß man Schmerz ist ein Output und tritt zu einem großen Teil unabhängig von einer Verletzung auf.

Der Mensch wurde – und wird zum Teil noch heute – als Maschine gesehen. Es wurde also davon ausgegangen, dass wir genauso wie eine Maschine verschleißen und diese Verschleißerscheinungen (Bandscheibenvorfälle, Arthrose, Osteoporose, etc.) Schmerzen verursachen können. Heute sollte jede medizinische Berufsgruppe den Patienten durch die Brille des Bio-Psycho-Sozialen Modells betrachten.

Das heißt der Patient wird in seiner vollen Gesamtheit aus Körper und Seele in seiner Öko-sozialen Lebenswelt gesehen.

 

 

 

Warum muss das so sein?

„Bei der letzten Untersuchung meiner Rückenschmerzen hat der Radiologe ganz klar festgestellt, dass meine Schmerzen von meinen degenerierten Bandscheiben kommen!“ Schaut man sich Untersuchungen an, wo untersucht wurde, wie häufig strukturelle Veränderungen der Bandscheibe und der Wirbelgelenke – Bandscheibenvorfälle, Arthrose, Gleitwirbel usw. – auf das Alter verteilt vorkommt, so sieht man, dass je älter man die Pathologien zunehmen. Allerdings nicht der Schmerz! Normalerweise müsste man ja davon ausgehen, dass je mehr strukturelle Veränderungen ein Mensch hat, der Schmerz, den dieser fühlt umso größer wird. Das heißt je älter wir werden, desto mehr Schmerzen müssten wir auf unseren gesamten Körper verteilt haben.

Dem ist aber nicht so.

 

Wenn meistens nicht strukturelle Schäden hauptsächlich für meine Schmerzen verantwortlich sind, was dann?

Man hat herausgefunden, dass biopsychosoziale Faktoren, wie Bildung, Stress, Mobbing am Arbeitsplatz, Depressionen etc. einen weitaus höheren Stellenwert in der Entstehung von Schmerzen einnehmen, als strukturelle Veränderungen.

Strukturelle Veränderungen in unserem Körper über unsere Lebensdauer hinweg, kann man deshalb so sehen wie graue Haare, oder Falten im Gesicht – als normaler Alterungsprozess, der in den meisten Fällen auch schmerzfrei ist, weil der Körper ihn als normal ansieht.

Moderne Schmerzforscher sprechen deshalb von strukturellen Veränderungen als „innere Falten des alternden Menschen“.

Schaut man sich also die Faktoren im biopsychosozialen Modell an, welche Einfluss auf unseren Schmerz haben, so sind folgende dafür ausschlaggebend:

  • Psychologische Faktoren (Emotionen, Depressionen, Erfolg, Selbstvertrauen…)
  • Physische Faktoren (Leistungsfähigkeit, Aktivitätslevel…)
  • Krankheit und Gesundheit (Übergewicht, Medikamente, Schlaf…)
  • Nicht beeinflussbare Faktoren (Genetik, Geschlecht, Vergangenheit…)
  • Nervensystem (Stress, Neuromatrix, Neuro-Immunsystem…)
  • Kognition (Stress, Nervosität, Stress…)
  • Soziale Faktoren (Gehalt, Familie, Arbeit…)
  • Struktur (Belastbarkeit der Strukturen, Strukturschäden, Anpassungen der Strukturen…)

Man sieht also die Bandbreite der Einflussfaktoren ist riesig. Natürlich kommen in dieser Liste auch die verletzte Struktur selbst vor – sie nimmt vor allem bei akuten Verletzungen einen hohen Stellenwert im Rahmen von entzündlichen Prozessen ein. Je länger allerdings ein Schmerzerlebnis stattfindet, desto chronischer wird dieses und desto mehr rücken die restlichen Einflussfaktoren in den Vordergrund.

 

Generell kann man sagen, dass Schmerzen eine schützende Antwort des Körper ist.

 

Er sagt uns:

„Ändere etwas an deinem Leben!“

 

Welcher Teil das ist und wie sehr er Einfluss auf den Schmerz wirklich hat, weiß man erst wenn man dagegen etwas unternommen hat. Sei es Übergewicht, Depressionen, Angstzustände oder zu wenig Bewegung. Es ist nie zu spät an sich und dadurch auch an seinem Schmerz zu arbeiten.

 

 

Wir, die Physiotherapeuten des Full.Motion Physioteam sehen es als unsere Aufgabe den Patienten als Ganzes zu sehen und nicht auf sein Problem zu reduzieren. Dadurch können wir jedem Patient helfen, an seinen Einflussfaktoren auf den Schmerz zu arbeiten oder auch an einen Spezialisten wie Ärzte, Diätologen, Psychotherapeuten etc. weiterzuempfehlen.

One Response

  1. […] oft wichtige Hinweise auf die Symptomatik des Patienten. Wie bereits in unserem Blogbeitrag über Schmerzen nachzulesen ist haben vor allem Ängste, Stress, negative Gedanken und Gefühle einen großen […]

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